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Suchtberatung älterer Menschen
Nur wenige Suchtberatungsstellen haben ein spezialisiertes Beratungs- und Behandlungsangebot für ältere und alte Menschen. Während Menschen ab „50+“ in Beratungsstellen schon zu dem älteren Klientel gehören, sind zu Pflegende mit einem problematischen Substanzkonsum in ambulanter oder stationärer Pflege deutlich älter. Suchtberatungsstellen werden (noch) vergleichsweise selten von Menschen im höheren oder hohen Lebensalter aufgesucht, allerdings mit steigender Tendenz. Die Hemmnisse sind vielfältig und sowohl in der Struktur der Einrichtungen, wie ungünstige Öffnungszeiten, als auch auf Seiten der Betroffenen, häufig Scham, zu finden.
Für Beratungsstellen, die Angebote für alte Menschen entwickeln möchten, haben die Modellprojekte einige wichtige Hinweise zusammengestellt. Im Downloadkasten (rechte Seite) finden Sie kurze Rahmenempfehlungen für die Beratung älterer suchtkranker Menschen, den ausführlichen Klientenaufnahmebogen nach M.E. Agronin und einen Auszug aus dem spezialisierten Suchtberatungsangebot für Ältere in Hamburg.
Strukturelle Fragestellungen
Wenn ihre Beratungsstelle in der 3. Etage liegt und nur ohne Fahrstuhl zu erreichen ist, dann ist sie für alte Menschen nur sehr schlecht geeignet. Überlegen Sie, ob und wie ein alter Mensch sie erreichen kann! Ist ihr Eingang barrierefrei und gibt es ggf. einen Fahrstuhl? Ist ihre Einrichtung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen? Die nächste Haltestelle darf nicht zu weit entfernt sein. Ist es ihnen möglich, ihre Öffnungszeiten dem Lebensrhythmus alter Menschen anzupassen? Diese verlassen nur ungern abends noch die Wohnung oder Einrichtung. Gruppen müssten tagsüber angeboten werden. Es kann sein, dass sie von Altenhilfeeinrichtungen oder Angehörigen kontaktiert und um einen Hausbesuch gebeten werden. Stellen Sie fest, ob ihre Beratungsstelle Kapazitäten für aufsuchende Arbeit bereitstellen kann.
Beratung- und Behandlung
Für alte Menschen sind lange Gesprächstermine u.U. überfordernd. Haben Sie die personellen Kapazitäten, häufiger kürzere Termine anzubieten? Manchmal gibt es sehr banale Kommunikationsbarrieren. Vergewissern Sie sich, dass ihr Gesprächspartner sie gut verstehen kann. Vielleicht ist er schwerhörig und braucht ein Hörgerät oder hat sein Hörgerät nicht richtig eingestellt. Passen Sie ihr Gesprächstempo der Aufnahmekapazität alter Menschen an und achten Sie darauf, dass Sie auch verstanden worden sind. Es kann sein, dass ihre Klientin oder ihr Klient erst im Alter eine Suchterkrankung entwickelt hat und daher zum ersten Mal den Kontakt zu einer Suchtberatung sucht. Es ist unbedingt zu berücksichtigen, dass ihr Kontakt- und Gesprächsangebot eine neue Erfahrung für diese Klientel darstellt.
Überlegen Sie gut, ob die älteren Klienten in eine bestehende Gruppe zu integrieren sind und ob für die Themen, die alte Menschen betreffen, genug Raum besteht. Vielleicht ist es ihnen möglich, vormittags eine neue Gruppe für ältere Menschen zu etablieren und diese bekannt zu machen. Gelingt die Anbindung an ihre Suchtberatungsstelle, so ist für ältere Menschen die zeitliche Begrenztheit der Behandlung problematisch. Nutzen Sie ihre Verbindungen zur Suchtselbsthilfe, um diese zu motivieren, neue Gruppen für ältere und alte Suchtkranke anzubieten, die den Teilnehmenden die Möglichkeit eröffnen, Kontakte zu anderen Betroffenen zu knüpfen und damit der Vereinsamung entgegen zu wirken.
Gesprächsinhalte
Die Haltung den Betroffenen gegenüber muss Achtung und Respekt, auch vor der Lebensleistung, ausdrücken. Alte Menschen haben in Zeiten gelebt, die die Mitarbeitenden in Suchtberatungen lediglich aus einem geschichtlichen Blickwinkel kennen. Kriegs- und Nachkriegserlebnisse und dadurch bedingte Traumata können im Alter wieder an Bedeutung gewinnen. Die Ziele einer Behandlung müssen reflektiert werden. Abstinenz von Suchtmitteln kann, muss aber nicht im Vordergrund stehen, daher ist eine eigene Auseinandersetzung mit dem Abstinenzparadigma notwendig. Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess und die Versorgung von eigenen Kindern haben keine Bedeutung mehr, auch stellt sich die Teilhabe am sozialen Leben verändert dar. Auf eine Auseinandersetzung mit schweren Erkrankungen und dem Lebensende müssen sich die Behandelnden vorbereiten.
Krankheitsgeschichte und Medikamenteneinnahme
Anders als im jüngeren Lebensalter ist in einem höheren Alter eine Suchterkrankung aufgrund der steigenden Multimorbidität nur eine Erkrankung unter anderen. Daher ist es besonders wichtig, nach somatischen und psychischen Beschwerden und Diagnosen zu fragen. Gegen chronische Störungen wie Herzkrankheiten, hohen Blutdruck oder einen hohen Cholesterinspiegel, Arthritis, Diabetes oder Krebserkrankungen werden i.d.R. Medikamente eingenommen. Sie sollten über die wichtigsten Medikamente und ihre Nebenwirkungen sowie Wechselwirkungen, auch mit Alkohol, informiert sein. Älteren Menschen werden häufig Psychopharmaka gegen Schlafstörungen, Trauerreaktionen, depressive Verstimmungen und Erregungszustände verordnet. Mögliche Nebenwirkungen von Psychopharmaka lassen sich von Alterssymptomen nur schwer unterscheiden. Beachten Sie auch, dass kognitive Störungen (z.B. eine beginnende Demenz) vorliegen können.
Vernetzung mit anderen Hilfesystemen
Die Arbeit mit älteren Klienten bedeutet auch, sich mit Akteuren eines komplexen Netzwerkes vertraut zu machen. Sie können sich als beratende Ansprechpartner für Mitarbeitende der Altenhilfe oder pflegende Angehörige anbieten. Der Kontakt zu Ärztinnen und Ärzten zur Abklärung somatischer Beschwerden kann notwendig werden, ebenso wie die Zusammenarbeit mit gesetzlichen Betreuerinnen und Betreuern. Achten Sie bei Gesprächen mit Angehörigen auch darauf, ob diese durch die Pflege überfordert sind und evtl. selbst einen problematischen Substanzkonsum entwickelt haben. Denken Sie bitte an die Entbindung von der Schweigepflicht!
Weiterbildung der Mitarbeitenden
Geriatrische Kenntnisse, vertieftes Wissen über Medikamentengebrauch und Nebenwirkungen und die Lebenswelten alter Menschen können bei den Mitarbeitenden der Suchthilfe nicht vorausgesetzt werden. Besuchen Sie zu diesen Themen Schulungen!
Dokumente zum Download