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Fallbeispiele

  1. Herr M. und Frau T. - alkoholbezogene Intervention in der stationären Pflege
  2. Frau L. - alkoholbezogene Intervention in der stationären Pflege
  3. Herr B. und Herr K. - bekannte Alkoholabhängigkeit in der stationären Pflege
  4. Herr F. - alkoholbezogene Intervention in der ambulanten Pflege
  5. Frau G. - alkoholbezogene Intervention in der ambulanten Pflege
  6. Herr P. - medikamentenbezogene Intervention in der stationären Pflege



Herr M. und Frau T.
Alkoholbezogene Intervention in der stationären Pflege

Die 87-jährige Frau T. wird in eine stationäre Pflegeeinrichtung aufgenommen. Sie leidet unter einer Demenz mittleren Grades und die Pflegesituation konnte von ihren Angehörigen nicht mehr bewältigt werden. Frau T. verliebt sich in den 82-jährigen Herrn M., der schon seit einiger Zeit in der Einrichtung aufgrund eines Korsakow-Syndroms (Amnestisches Syndrom in Folge zu hohen Alkoholkonsums) lebt. Diesem Patienten wurde bislang Alkohol vorenthalten und er hatte weder nach alkoholischen Getränken gefragt noch sich eigenständig Alkohol besorgt. Zum Lebensstil von Frau T. gehörte es, ab und an ein Glas „guten Wein“ zu trinken. Etwa drei Monate nach Aufnahme der Bewohnerin brach sich Herr M. bei einem Sturz den Oberschenkelhals. Er war alkoholisiert. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die beiden Verliebten bis zu einer Flasche Wein täglich konsumiert hatten, er davon den Löwenanteil.

In der Fallbesprechung wurde folgendes Vorgehen vereinbart. Da sowohl Frau T. wie Herr M. aufgrund der eingeschränkten Hirnleistungsfähigkeit einer auf einsichtsorientierten Verhaltensänderung kaum zugänglich erschienen, wurde Einfluss auf die Angehörigen von Frau T. genommen, um die Zufuhr an Wein zu begrenzen. Ferner wurde mit allen Beteiligten (Frau T. und ihr Sohn, Herr M. und seine Betreuerin) vereinbart, dass sie keine alkoholischen Getränke auf ihren Zimmern haben. Die Woche über lebten sie alkoholfrei, am Wochenende wurde ihnen zum Mittag- oder Abendessen ein Glas Wein serviert. Alle Beteiligten erklärten sich nach einigen Gesprächen, die teils von der Suchtbeauftragten der Einrichtung, teils vom Leiter der Suchtberatungsstelle initiiert worden waren, mit diesem Vorgehen einverstanden.


Frau L.
Alkoholbezogene Intervention in der stationären Pflege

Die 85-jährige Frau L. lebt im betreuten Wohnen einer Seniorenresidenz. Seit 65 Jahren konsumiert sie regelmäßig Alkohol, gelegentlich bis zu zwei Flaschen Schnaps und einer halben Flasche Sekt am Tag. Bei den Besuchen trifft das Pflegepersonal sie des Öfteren leicht betrunken an. Nach einem Schambeinbruch erfolgte eine Behandlung mit einem Opiat. Damals wurde ihr dieses 3-mal täglich verabreicht. Aktuell erhält sie zweimal täglich Besuch von MitarbeiterInnen der Sozialstation. Sie wird geduscht und ihr werden die Medikamente verabreicht. Weitere Kontakte finden durch die täglichen Besuche der Alltagsbegleitung statt, die die Patientin auch zu Einkäufen im Supermarkt begleitet. In diesem Rahmen sind auch die im Einkaufswagen landenden Schnapsflaschen aufgefallen. Des Weiteren hat die Frau L. noch zwei oder drei Freundinnen, welche sie regelmäßig besuchen und denen die Alkoholproblematik ebenfalls bekannt ist. Frau L. zeigt keinerlei Ausfälle. Hinweise auf Hirnleistungsstörungen oder Einschränkung der Kritikfähigkeit ergeben sich nicht. Sie äußert ihre Wünsche und Bedürfnisse oft fordernd. Bisher sind keine gesundheitlichen Folgeerscheinungen durch den Alkohol erkennbar. Bisherige Versuche der Pflegepersonen, den Alkoholkonsum mit Frau L. zu besprechen, sind abgewehrt worden. Es wurde daraufhin Kontakt mit dem Hausarzt aufgenommen. Dieser hat sie auch aufgesucht, konnte an der Situation auch nichts ändern.

In der Besprechung des Falles wurde zusätzlich zur vermuteten Alkoholabhängigkeit auch der Verdacht auf eine Opiatabhängigkeit geäußert, da die Patientin über den Zeitraum von einem Jahr Opiat-Analgetika erhielt, was aufgrund der Schambeinfraktur nicht hinreichend plausibel ist.

Das Ergebnis der Fallarbeit war:
Aktuell wurde kein Handlungsbedarf für die MitarbeiterInnen der Sozialstation gesehen. Frau L. ist abgesehen von ihren hohen Trinkmengen nicht auffällig, zeigt keine Folgeerkrankungen, leidet nicht unter ihrem Konsum und zeigt keine Änderungsabsicht. Sollte sich die Situation verändern, z. B. mit Stürzen einhergehen, wäre ein erneutes Aufgreifen des Falles ratsam. Dennoch soll Frau L. wiederholt angeboten werden, sie über den veränderten Stoffwechsel im Alter aufzuklären. Die aufsuchenden Pflegepersonen sollen wiederholt äußern, dass eine Reduzierung der aktuellen Alkoholmengen aus gesundheitlichen Gründen sicherlich wünschenswert wäre. Ferner soll erneut mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufgenommen und um eine Überprüfung der Medikation gebeten werden.


Herr B. und Herr K.
Bekannte Alkoholabhängigkeit in der stationären Pflege

Bei zwei Bewohnern einer Wohngruppe war bekannt, dass sie abstinent lebende Alkoholabhängige sind. Es entstand jedoch oft folgende Situation. Sonntags wurde den Bewohnern üblicherweise zum Essen Wein serviert, den beiden Abstinenten jedoch Saft. Dies führte bei Herrn B., der an einer fortgeschritten Demenz leidet, aber auch bei den Mitbewohnern zu Nachfragen. Offenbar wurde eine Ungleichbehandlung vermutet. Eine Problemlösung war schnell erarbeitet. Als Besonderheit wurde nun sonntags allen Bewohnern neben Wein ein alkoholfreier Cocktail angeboten.

Das Beispiel zeigt exemplarisch auf, dass in den beteiligten Einrichtungen bislang nicht berücksichtigt wurde, dass in ihnen auch abstinent lebende Alkoholiker leben, die ein Anrecht auf Versorgung mit alkoholfreien Lebensmitteln haben. Bislang wurden einige Speisen unter Verwendung von Alkohol hergestellt, ohne dies im Einzelnen auszuweisen.


Herr F.
Alkoholbezogene Intervention in der ambulanten Pflege

Hr. F. ist 75 Jahre alt und lebt alleine im eigenen Haus. Er ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder. Hr. F. wird seit mehreren Monaten von einem ambulanten Pflegedienst betreut, ferner erhält er eine Betreuung durch eine Alltagsbegleiterin. Im Rahmen einer langjährigen Zuckererkrankung bestehen fortschreitende starke Sehstörungen. Aufgrund einer Polyneuropathie bestehen Gangstörungen und er ist auf einen Rollator angewiesen. Dennoch nutzt er noch seinen PKW. In den letzten Monaten wurde Hr. F. mehrfach wegen Sturzverletzungen notfallmäßig zur stationären Krankenhausbehandlung eingewiesen. Die Stürze scheinen fast alle alkoholbedingt gewesen zu sein. Zunächst waren die Pflegerinnen sehr skeptisch, Herrn F. zu einer Änderung seines Trinkverhaltens bewegen zu können, da alle bisherigen Versuche gescheitert seien. Auch werde er sicherlich eine Kontaktaufnahme durch den Suchtberater ablehnen. Mittels der neuen Gesprächstechnik (in Anlehnung an die Motivierende Gesprächsführung) gelang es einer Pflegerin doch, Herrn F. über die Zusammenhänge zwischen Diabetes, Alkoholkonsum und seinen derzeitigen erheblichen gesundheitlichen Beschwerden aufzuklären und ihn zu bewegen, einer Kontaktaufnahme durch den Suchtberater zuzustimmen.

Hr. F. wurde nach telefonischer Terminvereinbarung zu Hause aufgesucht. Durch ein behutsames und zunächst nicht auf die Problematik fokussiertes Vorgehen entwickelte sich überraschend schnell eine positive Beziehung. F. ist ein stolzer Mann mit guten kognitiven Fähigkeiten. Über Information und zugleich den Aufbau einer sicheren und von ihm als hilfreich erlebten Beziehung konnte eine tragfähige Arbeitsgrundlage geschaffen werden. In den Gesprächen ist sein Alkoholkonsum immer wieder Thema, steht aber zunächst nicht im Mittelpunkt. Neben den Alltagsthemen wird sukzessive das Thema Alkohol und eine Reduzierung des Konsums verstärkt. Explizit wird nicht das Ziel der Abstinenz formuliert sondern ein deutlich reduzierter Konsum. Hr. F. erkennt, dass ihn die von ihm erlebte Einsamkeit und seine Einschränkungen der Mobilität sehr belasten. Dies habe zu seinem Trinken beigetragen.

In der Folge kommt es zu einer zunehmenden Reduzierung der Trinkmengen und Hr. F. schlägt vor, anstelle des gewohnten Bieres nun vorwiegend alkoholfreies Bier zu trinken. Ein wichtiger Schritt, zu dem der Klient auf Grund fehlender Fahrtauglichkeit bei erheblichen Seh- und Gangstörungen bestärkt wurde, ist das Ruhenlassen seiner Fahrerlaubnis und der Verkauf seines Fahrzeugs.

Der Alkoholkonsum des Herrn F. hat sich deutlich verringert und gab keine weiteren sturzbedingten Krankenhauseinweisungen. Da Herr F. nur wenige soziale Kontakte hat und um der Vereinsamung entgegen zu wirken, konnte er unter Einbezug seiner Kinder dazu bewegt werden, in ein stationäres Wohnangebot der Altenhilfe zu wechseln. Auch wurde der Kontakt zu einer Altentagesstätte hergestellt, die Hr. F. nun regelmäßig besucht und in der sich wohl fühlt und neue Kontakte geknüpft hat.


Frau G.
Alkoholbezogene Intervention in der ambulanten Pflege

Wiederholt hatten Pflegerinnen eines ambulanten Dienstes Frau G. alkoholisiert aufgefunden und mussten selbst für eine Krankenhauseinweisung wegen Alkoholintoxikation sorgen. Bei gleichzeitig vorliegenden ernsthaften gesundheitlichen Einschränkungen wurde als Ergebnis der Gefahrenanalyse Handlungsbedarf gesehen. Die Patientin erklärte sich zunächst mit einer Kontaktaufnahme durch die Suchtberaterin bereit, lehnte dies im weiteren Verlauf jedoch ab. Auch Gesprächsversuche des Pflegepersonals bezüglich ihres problematischen Alkoholkonsums blockte sie ab. Da eine erhebliche krankheitsbedingte Eigengefährdung gesehen wurde, wurde mit der einzigen Verwandten über die Optionen zur Beantragung einer gesetzlichen Betreuung gesprochen. Schließlich erfolgte eine richterliche Anhörung und eine Begutachtung durch den Psychiater des sozialpsychiatrischen Dienstes. Es wurde abgelehnt, gegen den Willen von Frau G. eine Betreuung einzurichten.

Das Ergebnis der Bemühungen blieb sehr unbefriedigend. Einzig positives Resultat blieb die Gewissheit für die Pflegenden, alles in ihren Möglichkeiten stehende unternommen zu haben. Ferner konnte über die erfolgte Dokumentation nachgewiesen werden, dass das Pflegepersonal sich sehr verantwortlich verhalten hat.


Herr P.
Medikamentenbezogene Intervention in der stationären Pflege

Herr P., Bewohner einer stationären Pflegeeinrichtung, leidet unter einer leichten Demenz. Er ist am Tage sehr schläfrig. Dies liegt möglicherweise an der zu hohen Dosis der als Schlafmittel verordneten Benzodiazepine. Außerdem erhält er diese in unveränderter Dosis seit langer Zeit. Herr P. selbst ist allerdings auf die Medikamente fixiert. Es wurde eine Kontaktaufnahme der Suchtbeauftragten mit dem Hausarzt des Bewohners vereinbart. Dieser vereinbart mit dem Patienten, zur Schlafförderung ein geeignetes niederpotentes Neuroleptikum zu verordnen und die Benzodiazepine auszuschleichen.